Raum für kindliche Entfaltung

 

Geplanter Kindergarten in Moosdorf; Rendering: Architekturkantine

Geplanter Kindergarten in Moosdorf; Rendering: Architekturkantine

Der steigende Betreuungsbedarf führt zu zahlreichen Neubauten, Sanierungen und Erweiterungen von Kinderbetreuungs-einrichtungen in Oberösterreich. Architekten sind gefordert, trotz strikter Vorgaben qualitätsvolle Räume für Kinder zu gestalten.

Ab Herbst 2016 erobern Moosdorfer Kinder nicht nur ihre neuen Räume, sondern gleich das ganze Gebäude ihres Kindergartens. Über einen Hügel gelangen sie aufs begrünte Dach, um über Lichtkuppeln zu beobachten, was drinnen los ist. Die Architekten der Architekturkantine haben mit ihrem Vorschlag, das Gebäude in den bestehenden Hügel zu integrieren, den Wettbewerb gewonnen. „Wir bauen eine Höhle, die mit weißen Holzplatten verkleidet wird“, sagt Thomas Blazek, der die Linzer Niederlassung des Büros leitet. Für die Gestaltung von Kindergärten, Krabbelstuben und Horten schreibt das Land Oberösterreich genau vor, wie groß Gruppenräume, Bewegungsräume und Gartenflächen sein müssen. Gleichzeitig macht es der vorgegebene enge Kostenrahmen notwendig, die verbaute Fläche zu minimieren. Blazek und sein Team lösen das durch möglichst geringe Erschließungsflächen, wie beispielsweise Gänge. „Ein schönes Projekt planen ist eine Tüftelaufgabe“, sagt er.

Die Zahl der Kinder in Betreuungseinrichtungen steigt in Oberösterreich seit Jahren. Besonders groß ist der Bedarf bei den unter 3-Jährigen. Hier rechnet das Land OÖ mit weiteren Steigerungen bis 2020. Dementsprechend hoch sind auch die Investitionen in Gebäude. 190 Neubau-, Sanierungs- und Erweiterungsprojekte werden derzeit realisiert, weitere 109 sollen bis 2018/2019 umgesetzt sein.

Kindgerecht bauen

Den derzeit in Fertigstellung befindlichen Kindergarten Leonding/Doppl-Hart haben die Ottensheimer Architekten Two in a Box geplant. Die Ausstattung des Kindergartens wird über dem Landesdurchschnitt liegen: Er wird in Massivholz-Bauweise errichtet, jede Gruppe wird einen eigenen Ruheraum erhalten zudem wird eine Lüftungsanlage eingebaut. „Das ist nur möglich, weil die Stadt Leonding diese zusätzlichen Kosten selbst trägt“, sagt Geschäftsführer Andreas Fiereder. Ansonsten blickt er etwas neidvoll nach Vorarlberg: „Die Kindergärten dort wirken aufgeräumter und haben viel Bodenspielfläche.“ Ein guter Kindergarten ist für ihn sehr neutral in Architektur und Farbgebung, denn „die Buntheit kommt durch die Kinder.“ Er hat helle Räume mit viel Außenbezug und zum Boden reichenden Fenstern. Zudem bietet er offene Bereiche und Rückzugsnester. Und besteht von der Gebäudehülle bis zum Fußboden aus möglichst viel Holz.

Kindergartenpädagogin Anna Kapfer-Weixlbaumer legt Wert auf klare Formen und harmonische Farbgebung. Es brauche auch Bereiche, die verdunkelt werden können. „Solche Rückzugsräume sind bei Kinder beliebt und erlauben interessante Lichtexperimente“, sagt Kapfer-Weixlbaumer, die viele Jahre als  in Kindergärten gearbeitet hat und nun in der Aus- und Weiterbildung von Pädagogen tätig ist. Räume für Kinder müssten vor allem aber deren Lust an vielfältiger Bewegung gerecht werden: „Ein Stiegenhaus kann auch ein spannender Erfahrungsort sein. Im Rollenspiel wird es zum Gebirge oder zur Picknickfläche.“

Aktive Bauherren

Damit qualitätsvoll gebaut werden kann, brauche es Bürgermeister und Bauamtsleiter, die als Bauherren Verantwortung übernähmen, so Peter Schneider. Positives Beispiel ist für den Architekten des Büros Schneider Lengauer aus Neumarkt im Mühlkreis die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Engerwitzdorf beim Bau des neuen Kindergartens Schweinbach. Lagere die Gemeinde diese Aufgabe an Generalunternehmer aus, steige der Kostendruck zusätzlich, da die vier bis fünf Prozent an Honorarkosten durch kostengünstigere Materialien eingespart werden müssen. Was allerdings meist zu höheren Erhaltungskosten für die Gemeinden führen würde. Schneider fordert zudem den Mut, das dichte Regelwerk zu hinterfragen: „Viele der dadurch entstehenden Kosten sind nicht wirklich im Alltag wahrnehmbar.“

Wussten Sie…

Im Jahr 2014/15 besuchen rund 57.400 Kinder Betreuungseinrichtungen in Oberösterreich. Das Land OÖ rechnet damit, dass vor allem die Betreuungsquote der unter 3-Jährigen weiter steigen wird, bis sie sich 2020 bei etwa 20 Prozent einpendeln wird.

Im laufenden Bau- und Finanzierungsprogramm des Landes befinden sich 168 Kindergarten-, 34 Hort- und 97 Krabbelstubenprojekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von knapp 104 Mio. Euro.

Laut Anforderungen des Landes OÖ muss ein Gruppenraum für Kindergartenkinder mindestens 60 Quadratmeter groß sein. Pro Gruppe müssen 500 Quadratmeter Garten zu Verfügung stehen. Für jedes Kind ist in der Garderobe ein Drehhaken im Abstand von 30 Zentimeter vorzusehen.

Veröffentlicht im Wirtschaftsblatt Regional, 1. Juli 2015

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